Nachhaltiges Bauen dreht sich in aller Regel um technologische Innovationen, Tools und Zertifizierungen, Building Information Modelling (BIM), Normen, Empfehlungen, Messungen, Simulationen etc. – also um hauptsächlich technisches, ständig in Entwicklung befindliches und teilweise hochkomplexes Fachwissen aus unterschiedlichsten Disziplinen. Im Bau und Betrieb von realen, nachhaltigen Bürogebäuden und –räumen muss dieses Wissen durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure (z.B. Bauherr, Architekt, Behörden, Bauphysiker, Energieplaner, Haustechnikplaner, Tragwerksplaner, Facility Manager, Brandschutzplaner, Nutzer) zu einem für die Nutzenden funktionierenden, bezahlbaren und umweltfreundlichen Ganzen vereint werden – ein also auch in kommunikativer Hinsicht äusserst komplexes und schwieriges Unterfangen. Zwischenmenschlichen, kommunikativen Aspekten wird aber typischerweise in der Forschung zu und dem effektiven Bau und Betrieb von Bürogebäuden erstaunlich wenig Aufmerksamkeit geschenkt – und dies obwohl man davon ausgehen muss, dass Kommunikationsschwierigkeiten in Planung, Bau, Übergabe und Betrieb von Bürogebäuden- und räumen und daraus entstehende Abstimmungsprobleme und Konflikte zwischen den Akteuren unmittelbar oder verzögert ganz konkrete Nachteile für Gebäudenutzende, Umwelt sowie Bau- und Betriebskosten haben. Im Folgenden finden sich deshalb einige Ausführungen zu potenziellen fachlichen und zwischenmenschlichen Differenzen in Planung, Bau, Übergabe und Betrieb von Bürogebäuden- und räumen.
Planung und Bau: Kommunikation im Bauplanungsteam (bzw. im Innenausbauplanungsteam)
Nur schon die Palette an möglichen fachlichen Differenzen zwischen verschiedenen Akteuren in Planung und Bau von Bürogebäuden ist äusserst breit. Wird die sachliche Kommunikation über solche Differenzen nicht aktiv gesteuert und koordiniert, sind nebst Missverständnissen, zu spätem Einbezug von Fachwissen und schlechten und nicht akzeptierten Projektergebnissen auch zwischenmenschliche Probleme zwischen den beteiligten Akteuren vorprogrammiert.
Kritische fachliche Differenzen betreffen insbesondere Zielsetzungen (Einbezug der Zielvorstellungen aller relevanten Stakeholder inklusive künftiger Nutzer [vgl. nutzerorientierte Bedarfsanalyse]; Umgang mit Zielkonflikten[1] ), Risikoabwägungen und darauf basierende Entscheide. Solche fachlichen Differenzen werden idealerweise frühzeitig und offen angesprochen, entsprechende Diskussionen falls nötig professionell moderiert und daraus entstehende Entscheidungen gemeinsam getragen. Gelingt dies nicht, kann es im Extremfall zum baulichen und finanziellen Desaster kommen. Hieraus erschliesst sich auch, wie wichtig soziale Kompetenzen wie Führungsgeschick, Kommunikations-, Konfliktlösungs- und Koordinationsfähigkeiten im Planungsteam sind.
So oder so sind zwischenmenschliche aber auch motivationale Probleme nicht gänzlich vermeidbar. Diesbezüglich entscheidend sind nebst den bereits genannten Kompetenzen unter anderem auch Teamstrukturen sowie Abschlusszeitpunkt und Bedingungen von Zusammenarbeitsverträgen[2].
Übergabe und Betrieb: Kommunikation zwischen Planern, späteren Betreibern und Nutzern
Bürogebäude- und Büroraumplaner gehen bei ihrer Planung (z.B. Simulation von Raumtemperaturen und Energieverbräuchen) nicht nur von einem konzeptgerechten Betreiber- sondern auch von einem konzeptgerechten Nutzerverhalten aus. Dass die Einflüsse der Betreiber und Nutzer aber typischerweise unterschätzt werden und in der Regel zu wenig im Hinblick auf angemessene Betreiber- und Nutzeraufklärung unternommen wird, zeigen bspw. die vielfach nachgewiesenen Unterschiede zwischen geplanten und tatsächlichen Energieverbräuchen und Komfortbedingungen in nachhaltigkeitszertifizierten Bürogebäuden[3]. Ebenfalls lohnt es sich, zu hinterfragen, ob nicht eher die Gebäudekonzepte den Nutzerbedürfnissen angepasst werden sollten anstatt das Nutzendenverhalten den Gebäudekonzepten.
Eine Möglichkeit, wie dies zu realisieren sein dürfte, ist, die Planung und den Bau eines Bürogebäudes bzw. Büroraums vom späteren Facility Management und den späteren Nutzern im Sinne einer nutzerorientierten Bedarfsanalyse begleiten zu lassen. Dies damit sowohl das Facility Management als auch alle relevanten Nutzergruppen bereits in der Planungsphase ihr Wissen über die Bedürfnisse im späteren Büroumgebungsbetrieb einbringen können und dass sie andererseits auch das für den Gebäudebetrieb relevante Wissen (z.B. das Energie-, Komfort-, Beleuchtungs-, Akustik-, Automations- und Gebäudesteuerungskonzept) aus erster Hand erfahren und damit später selbst anwenden und weitergeben können.
Im Normalfall sind aber die Betreiber zum Zeitpunkt der Gebäudeplanung entweder noch nicht bekannt oder werden aus anderen Gründen nicht in Gebäudeplanungsprozesse einbezogen. In solchen Fällen ist es umso wichtiger, dass das oben beschriebene Wissen über den geplanten Betrieb vollständig und verständlich dokumentiert und mit den notwendigen mündlichen Erläuterungen an den Betreiber übergeben wird. Hierzu gehört unter anderem auch ein Nutzerhandbuch, dessen Inhalte nicht einfach nur gespeichert und den Nutzenden auf Wunsch zur Verfügung gestellt, sondern als Basis für eine aktive Betreiber-Nutzer-Kommunikationsstrategie verwendet werden sollten.
Wenn eine Organisation als Nachmieter einer anderen Organisation ein Bürogebäude übernimmt und damit ein Betreiberwechsel erfolgt, ist darauf zu achten, dass die oben erwähnten Informationen vollständig vom früheren zum künftigen Betreiber übergeben werden. In jedem Fall hilfreich sind ausserdem eine systematische Dokumentation vorgenommener Sanierungsmassnahmen, aufgetretener Nutzerbeschwerden und verfolgter Lösungsansätze sowie eine Verschriftlichung des generierten Anwendungswissens über die Gebäudesteuerung.
[1] Beispiele für typische Zielkonflikte in der Bürogebäudeplanung mit unterschiedlichen beteiligten Akteuren finden sich beispielsweise bei Voss et al., 2007: Gestaltungsfreiheit vs. Energieperformance; Kompaktheit vs. Tageslichtnutzung und freie Lüftung; Nutzungsdynamik vs. Energiekonzept; Passive Kühlung vs. Norm-Komfortanforderungen; Freie Lüftung und passive Kühlung vs. Grundrissflexibilität; Tageslichtnutzung und Ausblick vs. Sonnen- und Blendschutz; Freie Lüftung vs. Schall- und Brandschutz; Nutzung von Speichermassen vs. Raumakustik; Hochwärmegedämmte Gebäudehülle vs. Transparenz und Flächeneffizienz; Gebäudeautomation vs. Individualität und Nutzerakzeptanz; Innovatives Planerteam vs. Umsetzungsroutinier; Integrale Planung vs. Investorenprojekte.
[2] Voss et al. (2006)
[3] Birt and Newsham (2009)