Genügend Möglichkeiten zur Privatheitsregulation schützen vor Erschöpfungssymptomen, sind förderlich für die Arbeitszufriedenheit und das Arbeitsengagement und tragen ausserdem massgeblich zu einer hohen Arbeitsumgebungszufriedenheit bei[1].
Der Hauptwunsch, wenn es um Möglichkeiten zur Privatheitsregulation (Privacy) geht, ist das Bestreben von Individuen, selbst über Art und Häufigkeit von sozialen Interaktionen bestimmen zu können und entsprechend auch die Möglichkeit zu haben, sich bei Bedarf (z.B. bei Lärm bzw. Konzentrationsschwierigkeiten oder für persönliche Gespräche) zurückzuziehen. Weitere, nicht direkt auf Interaktionen bezogene Aspekte von potenziell vorhandenen Privatheitsbedürfnissen sind der Wunsch nach visueller Privatheit (Können Kollegen auf den eigenen Arbeitsplatz oder Bildschirm schauen? Wird man oft visuell abgelenkt, weil ständig Personen vorbei gehen?), akustischer Privatheit (Können Arbeitskollegen eigene Telefongespräche mithören? Muss man Gespräche vom Nebentisch mit anhören?) aber auch Privatheit in Bezug auf Dokumente (besteht die Möglichkeit, Dokumente vor Einsicht durch andere zu schützen?).
Das erforderliche Ausmass an Privacy ist wesentlich von den Arbeitsaktivitäten abhängig. Z.B. erfordern konzentrierte individuelle Arbeit und vertrauliche Gespräche ein höheres Ausmass an Privacy als Arbeitstätigkeiten, die primär im Team stattfinden. Natürlich spielen aber auch persönliche Präferenzen eine grosse Rolle. Da typische Büroarbeit einen nicht zu unterschätzenden Anteil konzentrierter, individueller Arbeit beinhaltet (in vielen Unternehmungen 75% und mehr[2]), wird empfohlen, für Standardarbeitsplätze gezielt ein Mindestmass an Privacy zu gewährleisten und dieses bei speziellem Bedarf weiter anzupassen. Hierbei ist zu beachten, dass sich das Ausmass natürlich vorhandener Privacy je nach Anzahl vorhandener Arbeitsplätze im Raum (Einzelbüro, Gruppenbüro, Grossraumbüro) erheblich unterscheidet. Während Einzelbüros auch ohne spezielle Massnahmen viel Privacy bieten, können im Grossraumbüro ohne gezielte Privacy-Massnahmen Störungen, Ablenkungen, Unterbrechungen und Vertraulichkeitsprobleme die Arbeit behindern. Grossraumbüros mit gezielten Privacy-Massnahmen bieten aber eine Reihe von Vorteilen gegenüber Einzelbüros: Förderung informeller Kommunikation, Absprache und Zusammenarbeit, Einsparung von Flächenkosten und Energieaufwänden, Möglichkeit der Unterteilung in Zonen für verschiedene Tätigkeiten etc.
Die Minimierung von Störungen, Ablenkungen und Vertraulichkeitsprobleme wie auch die Sicherstellung von Möglichkeiten zur Privatheitsregulation sind im Wesentlichen eine Frage des Innenausbaus und der Verhaltensunterstützung im Betrieb und nur bedingt eine Frage baulicher Planung. Trotzdem können auch in der Gebäudeplanung bereits einige Weichen im Hinblick auf die Umsetzbarkeit von allfälligen späteren Privacy-Fördermassnahmen gestellt werden:
- Zum einen sollte mittels einer nutzerorientierten Bedarfsanalyse geklärt werden, ob die zu erstellenden Büroräume eine gewisse Mindesttiefe haben sollten, so dass aktivitätsorientierte Arbeitsplatzkonzepte sinnvoll umgesetzt werden können. Es ist aber zu beachten, dass die Tiefe der Räume auch für den Tageslichtzugang und die Aussicht von grosser Bedeutung ist.
- Und zum andern ist es wichtig, dass Büronutzende mittels akustischer Optimierung der Raumoberflächen ausreichend vor Störungen durch Bürolärm geschützt werden. Als Richtlinie für Situationen, in denen nur vage Kenntnisse zur späteren Büronutzung bestehen, kann angegeben werden, dass eine maximale Sprachverständlichkeit in typischen Büroräumen meist nicht erwünscht ist, da Gespräche von Arbeitskollegen die häufig notwendige konzentrierte Einzelarbeit stören.
Betreiber von Bürogebäuden können insbesondere durch einen geschickten und auf die Arbeitstätigkeiten abgestimmten Innenausbau viel zur Zufriedenheit der Nutzenden mit den Privatsphäremöglichkeiten beitragen. Umsetzen lässt sich dies beispielsweise durch
- einen auf die Raumoberflächen abgestimmten Innenausbau, der die Büronutzenden durch akustische Optimierung vor Störungen durch Bürolärm schützt (auch hier sei erwähnt, dass eine maximale Sprachverständlichkeit in heute typischer Büroarbeit nur selten erforderlich ist – bspw. bei Referaten in grossen Säälen).
- ein aktivitätsorientiertes Bürokonzept mit visuell und akustisch gut abgeschirmten Zonen für konzentrierte und kommunikative Arbeit
- nicht leicht einsehbare Arbeitstische und Bildschirme
- eine Reduktion des Erlebens von Beengtsein (Crowding) mittels ausreichender Abstände zu direkt benachbarten Arbeitsplätzen und mittels visuell und akustisch abgeschirmeter und überschaubarer Arbeitsbereiche.
- Die aktive Privatheitsregulation durch die Mitarbeitenden kann zudem informationsbezogen, organisatorisch und materiell unterstützt werden.
[1] Leather, Tony, and Santos (2010); J. A. Veitch et al. (2007); Windlinger (2012); Janser et al. (in Vorb.)
[2] Windlinger (2012)