Ein gebäudeweit konstantes, vollautomatisiert hergestelltes Grundklima ist, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, weder aus Nutzer- noch aus energetischer Perspektive zu empfehlen. Zunächst einmal wird ein solches Klima immer nur einen Teil der Nutzenden zufriedenstellen können, da Nutzende unterschiedliche Präferenzen haben. Ausserdem werden Nutzende auch in vollklimatisierten, hochautomatisierten Gebäuden aktiv, sobald die klimatischen Bedingungen aus ihrer jeweiligen Sicht nicht mehr akzeptabel sind und beeinflussen damit sowohl das Raumklima, den Energieverbrauch wie auch die Funktionstüchtigkeit des Gebäudes: zu nennen sind Manipulationen an Fenstern, Storen, Sensoren, Lüftungsauslässen etc. sowie die Verwendung privater klimabeeinflussender Geräte wie beispielsweise Ventilatoren, Heiz- und Kühlungsgeräte, Luftbe- und -entfeuchter und Luftumwälzsäulen.
Insofern spricht also viel für die Maximierung der individuellen Kontrolle über die klimatischen Bedingungen und die Förderung der Akzeptanz von nicht immer zu 100% präferenzgemässen Klimaverhältnissen. Hierfür spricht auch, dass die Zufriedenheit mit den Einflussnahmemöglichkeiten auf die Klimaverhältnisse im Büro die Arbeitsumgebungszufriedenheit sowie die Akzeptanz des Raumklimas zu fördern scheinen[1].
Eine ergänzende Strategie zur Maximierung der individuellen Kontrolle und Akzeptanz ist aber auch die Bereitstellung präziser, differenzierter, lernender und eventuell sogar prognosefähiger Gebäudeautomationssysteme in Kombination mit der Optimierung der zugehörigen FM-Prozesse - denn der Wunsch nach individueller Kontrolle ist vor allem dann besonders gross, wenn immer wieder Probleme auftreten und das Facility Management zu langsam auf diese reagiert.
In der Praxis zeigen sich allerdings bezüglich beider Strategien erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten:
- Individuelle Einflussnahmemöglichkeiten auf das Raumklima können in den heute üblichen offenen Raumstrukturen aus ökologischen Gründen und aus Rücksichtnahme auf weitere Büronutzende nicht unbeschränkt sein
- Gebäudeautomationssysteme mit den genannten Eigenschaften sind aktuell noch nicht genügend weit entwickelt und auch sie können in offenen Raumstrukturen nur äusserst begrenzt nutzerspezifische klimatische Bedingungen schaffen. Ausserdem sind solche Automationssystem in ihrer Steuerung äusserst komplex und stellen hohe Anforderung an das Facility Management-Personal.
Trotz dieser Schwierigkeiten können sowohl Eigentümer, Bauherren und Planer als auch Betreiber und Nutzer zur Maximierung der individuellen Kontrolle und Akzeptanz und/ oder Optimierung der Automatisierung und der zughörigen FM-Prozesse in Bürogebäuden beitragen.
Eigentümer, Bauherren und Planer tun das, indem sie
- individuelle Einflussnahmemöglichkeiten überhaupt erst in die Gebäudetechnik integrieren
- grossen Wert auf deren Usability und intuitive Verständlichkeit legen und
- jene Gebäudeautomatisierungssysteme berücksichtigen, welche nach dem aktuellen Stand der Technik die von den Nutzenden gewünschten klimatischen Bedingungen am differenziertesten und präzisesten herzustellen vermögen.
Betreiber tun das, indem sie
- die Nutzenden über die Funktionsweise des Gebäudes und seine Automatisierungsfunktionen sowie über vorhandene Einflussnahemöglichkeiten und deren Effekte aufklären
- Gebäudenutzende beim Umgang mit den klimatischen Bedingungen räumlich und materiell unterstützen
- auf eine gute Ausbildung des Betriebspersonals und entsprechend kompetente Steuerung des Gebäudes Wert legen
- schnell aber durchdacht auf Beschwerden reagieren
Im Zusammenhang mit der individuellen Kontrolle und der Akzeptanz der Nutzenden ist nebst den oben genannten Punkten eine gute Kommunikation zwischen Planenden und Betreibern sowie zwischen Betreibern und Nutzern unverzichtbar. Denn: Wenn das Wissen über die Funktionsweise des Gebäudes nicht einmal vollständig beim Betreiber ankommt, wie soll es dann überhaupt bis zum Endnutzer gelangen, geschweige denn von diesem kompetent und energiebewusst umgesetzt werden?
[1] Janser et al. (in Vorb.); Gossauer and Wagner (2007)