Egal ob es um Klima, Beleuchtung, Aussicht, Ästhetik, Privacy, Mobiliar, Lage, Umgebung, Anbindung an den öffentlichen Verkehr etc. geht - Büronutzende haben keine einheitlichen Präferenzen. In manchen Bereichen sind Präferenzunterschiede tendenziell grösser (z.B. Privacy) in anderen tendenziell geringer (z.B. Raumtemperatur – ein kleinster gemeinsamer Nenner eines als akzeptabel erachteten Temperaturbereichs scheint zu exisitieren). Diese Tatsache wurde beim Bau von Bürogebäuden und der Gestaltung der darin lokalisierten Räume lange nicht oder wenn, dann nur ansatzweise berücksichtigt, sei es wegen fehlender technologischer Möglichkeiten, aufgrund eines unzutreffenden Menschenbildes oder sonstiger Gründe. Die Folge davon waren Normen und Formeln, die „subjektiv zufriedenstellende Innenraumbedingungen“ berechen- und damit herstellbar machen sollten, was technologisch in die Erstellung von energieineffizienten Bürogebäuden mit gebäudeweit einheitlichen Klima- und Kunstlichtbedingungen (Vollklimatisierung und Vollautomatisierung ohne Einflussnahmemöglichkeiten) und mit Standardarbeitsplätzen auch für noch so unterschiedliche Tätigkeiten mündete.
Dass ein solcher Ansatz fehlgeleitet ist, belegen zahlreiche empirische Studien zu Komfort, Gesundheit und Arbeitsleistung in Bürogebäuden[1]. Dennoch ist die Erkenntnis, dass nur individuelle Präferenzanpassungsmöglichkeiten zur grösstmöglichen subjektiven Zufriedenheit der Nutzenden und ihrer Akzeptanz des Gebäudes[2] führen können, in der Erforschung und der Praxis des Baus und Betriebs von Bürogebäuden nur selten anzutreffen[3]. Folgende Ausführungen sollen bei der Realisierung von Präferenzanpassungsmöglichkeiten behilflich sein:
Präferenzanpassungsmöglichkeiten können theoretisch mittels zweier durchaus auch kombinierbarer Strategien geschaffen werden: zum einen über individuelle Einflussnahmemöglichkeiten (z.B. Verschattungsübersteuerung, Thermostaten, Lichtschalter, öffenbare Fenster, frei wählbarer Arbeitsplatz) und zum andern über äusserst differenziert funktionierende, intelligente Automationssysteme, welche präferierte Bedingungen nutzerspezifisch herzustellen vermögen.
In der Praxis zeigen sich allerdings bezüglich beider Strategien beträchtliche Umsetzungsschwierigkeiten:
- Aufgrund ihrer besseren Flächenwirtschaftlichkeit und Kommunikationsunterstützung, sowie höheren Flexibilität bei Veränderungen wird in der Praxis praktisch ausschliesslich auf grosse Raumeinheiten gesetzt[4]. Dies hat zur Folge, dass Einflussnahmemöglichkeiten in aller Regel nicht nur eine Person sondern diverse Personen mit unterschiedlichen Präferenzen betreffen und so durch sie von Zeit zu Zeit unbeabsichtigt das Innenraumklima im gesamten Raum gefährdet wird, dessen Wiederherstellung durch Heizung, Kühlung oder Befeuchtung zu beträchtlich erhöhten Energieverbräuchen führt. Entsprechend kann den Nutzenden in offenen Raumstrukturen aus Rücksichtnahme auf Kollegen mit anderen Präferenzen und aus ökologischen Gründen nur ein sehr geringer individueller Spielraum zugestanden werden, was genau so auch kommuniziert werden sollte. In kleinen, durch Wände abgetrennten Büroräumen wiederum sind zwar umfassende individuelle Einflussnahmemöglichkeiten an sich einfacher umzusetzen, besser sozialverträglich und ökologisch vertretbar, doch sind kleinteilige Raumstrukturen wie oben gesehen weder flächenwirtschaftlich und flexibel, noch unterstützen sie den Zusammenarbeitsprozess. Zudem bedeutet Flächenwirtschaftlichkeit nicht nur geringere Kosten sondern auch einen geringeren Gesamtenergieverbrauch.
- Bezüglich der entgegengesetzten Strategie (Optimierung der Automatisierung im Hinblick auf nutzerspezifische Präferenzen) ist zu sagen, dass die entsprechenden technologischen Möglichkeiten sich zwar aktuell rasant entwickeln (z.B. Einbezug von Wetter- und Anwesenheitsprognosen in die Gebäudesteuerung, lernende Gebäude) dass diese Technologien aber noch nicht genügend ausgereift sind, um Nutzerpräferenzen adäquat abbilden und damit tatsächlich subjektiv zufriedenstellend herstellen zu können. Zudem sind solche Gebäudeautomationssysteme in ihrer Steuerung typischerweise äusserst komplex und stellen hohe Anforderungen an die Kompetenzen des Facility Management Personals. Die eben genannten Herausforderungen gelten aber auch für die heute bereits etablierten Automationssysteme. Aus diesem Grund führt die im Bürobau aktuell zu beobachtende zunehmende Automation meist nur in der Theorie zur erhofften Komfortmaximierung und Energieverbrauchsreduktion.
Trotz dieser Schwierigkeiten dürfte es sich aber dennoch lohnen, sowohl individuelle Einflussnahmemöglichkeiten als auch im Hinblick auf Nutzerpräferenzen optimierte Gebäudeautomationssysteme so gut als möglich in die Tat umzusetzen. Gleichzeitig ist aber auch klar und deutlich auf die Möglichkeiten und Grenzen beider Strategien hinzuweisen. Entsprechend ist es unverzichtbar, dass Einflussnahmemöglichkeiten bereits im Bau intuitiv verständlich gestaltet und Nutzende im Betrieb proaktiv über die Funktionsweise des Gebäudes, dessen Automatisierung und die Benützung vorhandener Einflussnahmöglichkeiten informiert/ geschult werden (vgl. auch Passung zwischen Gebäude und Nutzung sicherstellen). Dies zusammen mit einem schnell aber durchdacht auf Beschwerden reagierenden Facility Management dürfte auch die Akzeptanz von nicht zu 100% präferenzgemässen Bedingungen fördern. Eine ganz konkrete Massnahme, um Präferenzanpassung bezüglich vieler Komfortaspekte (z.B. Klima- aber auch Aussichts- und Privacy-Regulation) mittels Arbeitsplatzwahl zu ermöglichen, sind non-territoriale, aktivitätsorientierte Bürokonzepte.
[1] Z.B.Windlinger, Janser, Feige, and Wallbaum (2012); So Young Lee and Brand (2005); S. Y. Lee and Brand (2010); A. F. Marmot et al. (2006)
[2] Akzeptanz beispielsweise im Sinne von Toleranz von nicht immer zu 100% präferenzgemässen Bedingungen, Ausbleiben von Manipulationen am Gebäude
[3] Vgl. beispielsweise Fanger (2001)
[4] Windlinger et al. (in Vorb.)